Johann Sebastian Bach: Motetten
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Autor:
KIT Kammerchor
- Datum: 01.12.2018
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Ort: Altkatholische Kirche Karlsruhe
Mitwirkende
Adina Scheyhing, Violone B.c.
Stefan Fritz, Orgel
Kai Dolde, Orgel
KIT Kammerchor
Leitung: Nikolaus Indlekofer
Programm
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Komm Jesu komm BWV 229
Johann Sebastian Bach
Nun komm der Heiden Heiland
Choralvorspiel BWV 659
György Orbán (*1947)
Cor mundum
Lajos Bárdos (1899-1986)
Libera me
Johannes Antoni (*1995)
Aus tiefer Not
Zane Randall Stroope (*1953)
The Conversion of Saul
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
Psalm 43, op. 78,2
Eric Whitacre (*1970)
Lux aurumque
Ola Gjeilo (*1978)
Northern Lights
Johann Sebastian Bach
Nun danket alle Gott
Choralvorspiel 657
Johann Sebastian Bach
Singet dem Herrn BWV 225
Zum Programm
Mit dem heutigen Konzert stehen wir an der Schwelle vom düsteren Totenmonat November zum Dezember, der mit der Adventszeit etwas Wärme in die Dunkelheit bringt. Die Werke, die wir ausgewählt haben, spüren diesem Verlauf nach und haben allesamt mit Dunkel und Licht zu tun. Eingerahmt wird das Programm von zwei großen doppelchörigen Motetten von Johann Sebastian Bach. Bei der Motette „Komm Jesu, komm" ist zwar weder Entstehungsjahr noch Anlass überliefert, es ist aber wahrscheinlich, dass sie, wie die meisten der Bach-Motetten, als ein Auftragswerk zu einer Beerdigung entstanden ist. Der Text entstammt einem Sterbegedicht von Paul Thymich aus dem Bach 2 Strophen ausgewählt hat. Mit flehentlichem Bitten beginnt Bach das Werk und die Musik beschreibt mit großer Ausdruckskraft das Schwinden der Lebenskraft und das Sehnen nach der Erlösung durch Christus. Die Aufhellung, die mitten im Satz passiert „Komm, komm, ich will mich dir ergeben" zeigt den Weg vom Dunkeln ins Licht: „Du bist der rechte Weg, die Wahrheit und das Leben"
Die Werke der beiden ungarischen Komponisten Orbán und Bárdos behandeln die Themen Tod und Leid. Das „Libera me" von Bárdos ist ein Teil der Totenmesse, die in vielen Requiem-Vertonungen in der Musikgeschichte zu großen Werken inspiriert hat. Der Komponist wählt die schlichtere Form der a cappella-Vertonung, bedient sich aber Singtechniken wie Glissando-Passagen und krassen Tempo- und Dynamikwechseln, womit ihm eine eindrückliche Realisierung gelingt.
Der Psalmtext „Schaffe in mir Gott ein rein Herz" ist besonders in der Komposition von Johannes Brahms sehr bekannt und berühmt. György Orbán vertont den Text in lateinischer Sprache und zeigt sich als genialer Komponist, der die große Tradition der ungarischen Chormusik wegweisend in die Gegenwart führt.
Johannes Antoni, ein Student der Karlsruher Musikhochschule, hat sich dem Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir" mit einer freien Interpretation des Textinhaltes genähert. Die Tonsprache orientiert sich an Vorbildern wie Gjeilo oder Whitacre. Reizvoll, wie anders das prägnante Anfangsmotiv des Luther-Chorals in einer Durfärbung erscheint. Die Komposition entstand für die Bezirkskantorei Bretten-Bruchsal zum Lutherjahr 2017.
Im Zentrum des Programms steht das Werk „ The Conversion of Saul" Nach der Steinigung des Stephanus steigert sich eine wilde Horde um den Anführer Saul bei der Verfolgung der ersten Christen in Jerusalem in ausufernde Rage. Diese Szenerie wird zu Beginn des Stückes dem Chor zugewiesen. Es werden lediglich Wortfetzen benutzt, ganze Sätze kommen nicht vor. Tötet, quält, fesselt! Saul! Mit Fesseln, verdammt, quält! In wilder Reihenfolge und auch unkontrollierter Wortbetonung notiert Randal Stroope die Partitur. Singen, Rufen und Stampfen wechseln sich ab. Fast unmerklich ändern sich in der Mitte des Stückes die Schreie „Saul". Sie werden leiser und die Stimmführung gleitet in einen Unisono-Ton. Hier ist die Stelle in der Überlieferung, in der beschrieben wird, dass Saul von einem hellen Licht erblindet. Er hört eine Stimme die spricht: "...wandle den Hass in Liebe, wandle die Dunkelheit in Licht... "!
Felix Mendelssohn Bartholdy wurde im Alter von 34 Jahren zum Generalmusikdirektor für die evangelische Kirchenmusik berufen. Er hatte die Aufgabe den neu gegründeten Berliner Domchor zu leiten und die gesamte Kirchenmusik in Preußen zu beaufsichtigen. Mendelssohn blieb nur ein Jahr in Berlin, aber es entstanden eine Vielzahl von a cappella Werken, die Mendelssohn für den liturgischen Gebrauch mit dem Domchor komponierte. „Richte mich Gott" aus der Reihe von drei Motetten op.78 gehört heute zu den bekanntesten Werken der romantischen Kirchenmusik.
Lux Aurumque war ursprünglich ein in englischer Sprache verfasstes Gedicht von Edward Esch:
Light
warm and heavy as pure gold
and the angels sing softly
to the new-born baby.
Whitacre schreibt, begeistert von der Schlichtheit und Klarheit des Textes, dass seine Komposition ein ausbalanciertes Schimmern und Glühen des Lichtes abbilden soll. Die lateinische Textübertragung ist von Charles A. Silvestri.
„Northern Lights ist mein norwegischstes Stück seit Jahren", so der seit 2001 in den USA lebende norwegische Komponist Ola Gjeilo. Bei dem Werk geht es um die Schönheit. Eine starke, ja sogar schreckliche Schönheit. Gjeilo hat eine solche Schönheit beim Betrachten von Nordlichtern in seiner Heimat erlebt.
„Es ist eines der schönsten Naturphänomene, die ich je gesehen habe und besitzt solch eine machtvolle, elektrisierende Beschaffenheit, dass es für Menschen in der Vergangenheit faszinierend und erschreckend zugleich gewesen sein muss..."
Die Worte in Northern Lights sind dem Hohelied Salomons aus dem Alten Testament der Bibel entnommen, dort beschreiben sie die Schönheit einer Frau.
Mit der Motette „Singet dem Herrn" von Johann Sebastian Bach sind wir nun vollends im Parnass der musikalischen Ausdruckskraft angekommen. Die sprühende Kraft gepaart mit der souveränen kontrapunktischen Meisterschaft Bachs ist wohl nicht mehr zu steigern.
In 8-stimmiger Doppelchörigkeit zündet Bach ein Feuerwerk, das, wenn es gelingt, ein Fest für alle Beteiligten werden kann.
Nikolaus Indlekofer